Rückblick: Zu Gast in der äthiopischen Kirche

IMG_20241201_115918 (Foto: Flurina Bezzola)
Im Rahmen des JuKi 2 (Religionsunterricht in der 7. und 8. Klasse) lernen wir auch andere christliche Konfessionen kennen.
Dieses Jahr befassten wir uns mit der äthiopisch-orthodoxen Kirche. Daher luden wir für den allgemeinen Infoabend Eden ein, die vor 11 Jahren in die Schweiz kam. Von ihr erfuhren wir unter anderem, dass Äthiopien als einziges Land in Afrika nie kolonialisiert wurde und dass das Christentum seit dem 4. Jahrhundert die Hauptreligion in Äthiopien ist. Während die reformierte Bibel 66 Bücher und die katholische Bibel 77 Bücher umfasst, hat die äthiopische Bibel 88 Bücher.

Am vergangenen Sonntag durften wir mit Eden und ihren Kindern den äthiopisch-orthodoxen Gottesdienst in Oerlikon besuchen. Wir Frauen erhielten von Eden lange weisse Tücher und wir durften die Zeremonie als Gäste in der vordersten Reihe besuchen. Diese war auch für die äthiopische Gemeinschaft ein besonderer Gottesdienst, denn er war der heiligen Maria gewidmet. Daher reisten die Gottesdienstbesucher nicht nur aus Zürich an sondern auch aus anderen Kantonen. Die äthiopische Gemeinde begrüsste uns mit wunderbarer Freundlichkeit und Gastfreundschaft. Im Gegensatz zu unseren Gottesdiensten, dauern ihre Gottesdienste mehrere Stunden. Sie sind von Fröhlichkeit und viel Spiritualität begleitet; schöne, rhythmische Gesänge, mehreren Predigten auf Amharisch, viele Gebeten und Segnungen (zuerst die Kinder). Anschliessend durften wir ein köstliches äthiopisches Essen mit der Gemeinschaft geniessen. Es waren sehr eindrückliche und berührende Stunden!
Christine Schneiter (Kirchenpflegerin Ressort Jugend, Familie & Kind) & Flurina Bezzola (Jugendarbeiterin)


Für Interessierte noch weitere Informationen zur Entstehung des Christentums in Äthiopien:


Die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche (Tewahedo bedeutet «Einheit», gemeint ist die Einheit der Göttlichen Natur Jesu) ist die grösste der altorientalisch-orthodoxen Kirchen und zählt zu den ältesten christlichen Kirchen überhaupt. Ihre Geschichte reicht, dem Glauben der äthiopischen Kirche nach, zurück bis in das erste Jahrhundert nach Christus und fängt mit einem äthiopischen Hofbeamten, dem Schatzmeister der Kandake, der Königin der Äthiopier, an. Dieser Schatzmeister war laut Apostelgeschichte (Apg 8,26-40) nach Jerusalem gereist, um dort zu beten. Kein Zufall, denn Äthiopien pflegte seit Jahrhunderten Sonderbeziehungen mit Jerusalem.

Schon zur Zeiten Salomos reiste die Königin aus Saba nach Jerusalem, um Salomos Weisheit mit Rätseln zu prüfen (1 Kön 10,1) und war von Salomo tief beeindruckt. Nicht minder beindruckt war aber auch Salomo von der äthiopischen Königin. „Und der König Salomo gab der Königin von Saba alles, was sie sich wünschte, was sie erbeten hatte“ (1 Kön. 10,13) – inklusive, gemäss der äthiopischen Tradition, einen Nachkommen und das Original der Bundeslade, das bis heute in Aksum aufbewahrt wird.

So ist es nicht verwunderlich, dass der besagte Beamte der Königin Kandake ca. 1000 Jahre später – etwa um das Jahr 33 n.Chr. – den jüdischen Glauben teilte, nach Jerusalem reiste, um dort zu beten, und bei seiner Rückreise von Jerusalem auf dem Weg nach Gaza eine Schriftrolle des Propheten Jesaja las. (Apg 8,28). Der Apostel Philippus holte ihn ein und hörte, wie er im Propheten Jesaja die Passagen vom leidenden Gottesknecht las, und fragte ihn: «Verstehst du, was du da liest?» (Apg 8,30).

Als dieser verneinte, erklärte ihm Philippus, die Stellen bezögen sich auf Jesus und er verkündigte ihm das Evangelium Jesu, worauf sich der Beamte Taufen liess und den Glauben an Jesus als Messias in seine Heimat, nach Äthiopien brachte. Laut den Kirchenhistorikern kam das Christentum erst später, im 4. Jhd., nach Äthiopien. Wie dem auch sei, spätestens an dieser Stelle merken Sie, liebe Leserinnen und Leser, welchen Schatz an Erzählungen und Traditionen die Äthiopische Kirche hat, geschweige denn an Schriften, die über die Grenze des biblischen Kanons hinausgehen und diesen erweitern.

Die äthiopische Kirche ist eine der wenigen Kirchen, die aufgrund ihrer besonderen Beziehung zum Lande und Volk Israel auch viele jüdischen Bräuche in die eigene Frömmigkeit und Praxis übernommen und integriert hat. Während in den Westkirchen die Rituellen Gebote des Alten Testaments als durch Jesus erfüllt und somit überholt gelten, werden in der äthiopischen Kirche auch der Schabbat geheiligt, einige Speisevorschriften und Reinheitsgebote eingehalten, die Beschneidung praktiziert und es steht – wie einst im Zelt der Begegnung – in jeder Kirche die Kopie der Bundeslade, so auch in der reformierten Kirche Saatlen, wenn die äthiopische Gemeinde dort ihren Gottesdienst feiert.
Äthiopische Kirche
03.12.2024
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